Letzten Sonntag wurde die Tochter 18. Damit sind jetzt beide volljährig. Sie hat bei einem Freund reingefeiert, mit etwa 50 Leuten. Nachts habe ich sie und ein paar Freunde mit dem Auto abgeholt. Lief alles ganz zivil ab. War trotzdem alles in allem ein anstrengendes Wochenende, Torte, Geschenke, Gäste und am Montag dann Klassenfahrt nach Berlin. Wir genossen die Ruhe.
Montag Abend raffe ich mich auf, um meinen ehemaligen Ballettlehrer, Rudi, zu verabschieden. Man sagte mir, dass er aufhört. Er ist Mitte 70. Er war früher Tänzer in der DDR. Als er mich sieht, freut er sich wie Bolle.
“Ich hab gehört, Du hörst auf”, sage ich. “Wenn Du kommst, bleibe ich”, sagt er und grinst.
M. kommt rein, meine ehemalige Mittänzerin. Sie hat vor vier Monaten ihr zweites Kind bekommen. Sie strahlt und braucht lange, um zu glauben, was sie sieht. Wir umarmen uns lange.
Rudi macht guten Unterricht. Ich habe ihn immer gemocht. Als ich die Verletzung hatte, musste ich aufhören. Während Corona habe ich bei der Schule weitergemacht, bei der ich bereits Contemporary-Unterricht nahm. Und ich bin wegen M. nicht zurück.
Erst im Laufe der Zeit habe ich gelernt, Menschen nur einen Teil meines Lebens, meiner Person und meiner Zeit zu schenken. Ich habe gelernt, für eineinhalb Stunden Mittänzer zu sein. Das habe ich von meinen Mittänzerinnen gelernt. Die können das und die machen das, die haben mehr Spielraum. Die Grenzen sind da fließender.
Lange Rede, ich nehme das Jahr mit Rudi (und M.) noch mit. Ich will die Zeit genießen und mitnehmen. Beziehungen haben für mich momentan Priorität. Ich gehe dort hin, wo ich mich wohl fühle und umgebe mich mit Menschen, die mir guttun. Ich will den Menschen, die mir wichtig sind, zeigen, dass sie mir wichtig sind.
Freitag hatte ich meine letzte Beratungsstunde. Ich hatte die Möglichkeit, online fünf Stunden Lebensberatung zu nutzen. Das war super. Ich habe mich sortiert und weiß wieder, wohin der Weg geht. Tanzen, Musik, Lesen, (liebe) Beziehungen pflegen. Endlich die Aufmerksamkeit nicht mehr auf Gefahren richten, sondern an dem Guten, was mich umgibt, ausrichten. So in etwa, blumig gesprochen. Ein Garten bauen aus guten Erlebnissen.